Drei Tage Bike- und Foto-Spaß im Engadin

Der Engadin Bike Giro ist eines der schönsten Mehrtages-MTB-Events in den Schweizer Alpen und ein Erlebnis für alle Beteiligten. Lest hier von den Erlebnissen der Elite- und Amateurfahrer und der Sportografen:

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Tag 1 – Prolog

Anna: Ein entspannterer Start in ein 3-tägiges Etappenrennen in einem der schönsten Bikereviere der Welt, den Engadiner Bergen, ist kaum möglich: morgens ausschlafen, in Ruhe die Startunterlagen holen, danach noch ausgiebig beim Haribo-Carboloading relaxen und schließlich gegen Mittag zum Startpunkt des Einzelzeitfahrens aufbrechen. Ursprünglich war als spektakulärer Startort der Piz Nair auf über 3000 m Höhe geplant, aufgrund großer Schneemengen muss das Rennen dann jedoch 500m tiefer beginnen. Gestartet wird in 2 Kategorien, Elite und Fun. Bereits im Startbereich wird aber deutlich, dass ich offensichtlich als Einzige die Kategorien-Beschreibung gelesen habe. Denn während ich standesgemäß in Baggyshorts und „Hamburger Funbiker“-Trikot erscheine, ist meine Fun-Konkurrenz ausschließlich in enges, mit Radsponsor-Logos bedrucktes Lycra gekleidet.   

Für´s Einzelzeitfahren werden wir im 30-Sekunden-Takt auf die Piste gejagt: zunächst den WM-Trail abwärts, um St. Moritz rum einige knackige Anstiege und weitere Trails, schnell durch den Ort (hier muss ich kurz sehr standhaft sein, als es an der Eisdiele vorbei geht) und schon sind wir im letzten längeren Anstieg. Die Sonne brütet, der Puls ist hoch, trotzdem geht es schneller als gedacht und das Ziel erreicht. Schnell noch die Fahrzeit in Kuchen ausgleichen (Verhältnis 1 Stück/15 Minuten ist optimal), schon ist der Prolog geschafft. So kann es weitergehen! 

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Lars: Auch für uns Sportografen bedeutet der Start des Prologs um 12:00 einen sehr entspannten Start in den Tag. Ganz im Gegenteil zu vielen anderen Events, wo wir uns oftmals extrem früh aufmachen müssen, um vor den Sportlern an unseren Spots zu sein. Wir sind bei diesem Event zu zweit und wollen uns während des Prologs auf dem WM-Trail postieren, um die ersten Bilder von den Bikern in Action einzufangen. Wir nehmen die Seilbahnen hoch zur Corviglia und rollen von dort schwer bepackt mit unseren Fotorucksäcken den Trail herunter. Bei der Auswahl unserer Fotospots haben wir hier ein echtes Luxusproblem, denn ebenfalls im Gegensatz zu vielen anderen Events gibt es hier nicht “den einen” schönen Spot, sondern vielmehr lauert hinter jeder Windung des Trails eine schöne Kurve oder ein Anlieger, der sich als Fotospot anbietet. Dazu strahlend blauer Himmel, 25°C, grandioses Bergpanorama und ein Blick 800 Höhenmeter hinab bis nach St. Moritz und Silvaplana – hier kann man keine schlechten Bilder machen!

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Betty: Endlich mal einigermaßen ausschlafen vor einem Rennen! Nach einem entspannten Frühstück und einem doppelten Espresso geht’s mit dem Rad von Silvaplana aus nach St.Moritz, um die Startnummern zu holen und von dort aus direkt weiter zur Mittelstation. Anstatt die ausgeschilderte Strecke zu nehmen, überrascht mich mein Mann Tom mit einer (viel besseren!) selbst zusammengeklickten Komoot-Route und wir fahren gemeinsam eine  >20%-Rampe hinauf zur Mittelstation. Punktgenau erreichen wir (gut aufgewärmt) die Seilbahn, die uns das letzte Stück hinauf zur Bergstation bringt, wo bei perfekten Bedingungen der Start erfolgt. Zum Bestaunen des fantastischen Panoramas bleibt nur wenig Zeit und umso mehr freuen wir uns im Anschluss über die Bilder der Fotografen, die uns den Augenblick einfangen, den wir dann später noch abfeiern werden.      

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Tag 2

Anna: Heute erwartet uns mit ca 77km/2200hm die erste „richtige“ Etappe. Nachdem die Profis auf die Strecke gegangen sind, starten wir Funbiker zwar offiziell in 4 Startblöcken, de facto aber als großer Massenstart und rasen in einer riesen Staubwolke den See entlang. Die ersten Höhenmeter sind schnell gesammelt und sorgen für ein Entzerren des Feldes, dazu kommen immer wieder nette Trails. Einige Abfahrten immerhin so technisch und verblockt, dass hier bereits mehrere Lenker und Laufräder brechen. Bald kommt Pontresina in Sicht, die erste Verpflegungsstelle –  ich mich schon auf ein zweites Frühstück, werde aber enttäuscht: statt dem erhofften Gewusel um Tische mit Nutellabroten & Co findet sich eine perfekt organisierte Wettkampfverpflegungsstelle, wo hintereinander Radflaschen mit Wasser und Iso sowie Bananen angereicht werden. 3 Sekunden später bin ich überrascht und hungrig wieder auf dem Trail. Bei der nächsten Verpflegung in Bever bin ich daher schlauer, halte an, gucke genau und finde tatsächlich den erhofften Kuchen. So gestärkt kann ich mich dann auf den längsten Anstieg des Tages machen, ca. 700hm am Stück geht es aufwärts: Anfangs noch auf Schotterpiste mit gleichmäßiger Steigung, wird es oberhalb der Baumgrenze deutlich anstrengender. Hier kommt der lange Höhenweg, den es noch zu erklimmen gilt, in Sicht. Dabei wechseln bergauf ein schmaler Trail mit ausgesetzten Schneefeldern, so dass plötzlich jeder Meter erkämpft werden muss. Irgendwann sehe ich Lars mit seiner Kamera hinter einem kleinen Bach stehen. Eine Warnung bekomme ich nicht von ihm, also bretter ich durch – und wundere mich Sekunden später über die eiskalte Dusche bis über den Kopf. Pitschnass geht es in die schönste Abfahrt des Tages, den Olympia-Trail: über 500 flowige abwechslungsreiche Tiefenmeter, bis das Grinsen irgendwann mindestens bis zu den Ohren reicht. Genau mit diesem Gesichtsausdruck rolle ich wenig später nach dem ebenfalls netten Foppettas-Trail ins Ziel und kann den nächsten Tag kaum erwarten.

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Lars: Auf der Suche nach weiteren Motiven teilen wir uns heute auf. Marius geht an den Olympia-Trail, mich führt der Weg zum Stausee oberhalb der Corviglia. Dort bietet ein schmaler Schotterweg ideale Bedingungen, um unsere Lichtschrankenkameras aufzustellen und an einer Wasserdurchfahrt kann ich dir Biker noch einmal in Action fotografieren. Cooles Bergpanorama gibt es jeweils “gratis” dazu.

Die Wasserdurchfahrt ist durch den vielen Schnee und das Schmelzwasser recht tief und beschert den Fahrer nach dem langen und schweißtreibenden Anstieg eine ordentliche Abkühlung. Auch ich bekomme die eine oder andere Dusche ab, wenn ich mich etwas zu nah ans Geschehen gewagt habe. Zum Glück sind unsere Kameras ganz gut gegen Spritzwasser geschützt.

Gegen 15:00 sind für heute die letzten Fahrer durch und auch die Wanderer und Jogger sind wieder verschwunden. Ich sammle meine Ausrüstung ein und rolle den Trail hinunter nach St. Moritz. Am Rande des Trails kommen die Murmeltiere aus ihren Löchern und wundern sich bestimmt, was da in ihrem Revier schon wieder los ist.

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BettyDass die Konkurrenz stark sein würde, war schon beim ersten Blick auf die Startliste klar und der Prolog ließ daran ebenfalls keinen Zweifel. Am 2. Tag sollten die Verhältnisse bereits am ersten Anstieg geklärt werden. Auf der Jagd nach wertvollen Weltranglisten-Punkten waren einige Cross-Country-Größen an der Startlinie und entsprechend ging es von Beginn an zur Sache. Das Frauenfeld wurde auseinander gerissen und ich freute mich, mich in guter Gesellschaft einer 5-köpfigen Spitzengruppe wiederzufinden. Bis auf ein paar (letztlich erfolglose) Ausreißversuche blieben wir bis zum letzten Anstieg beisammen, sodass das eigentliche Feuer erst hier eröffnet wurde. Dass die anderen Fahrerinnen dort noch mehr im Tank hatten, war im ersten Augenblick vielleicht etwas enttäuschend, andererseits auch keine wirkliche Schande, im Angesicht der Tatsache, dass es sich bei der Konkurrenz um namhafte Profis (ehemalige Olympiasiegerin und andere Top-Weltcupfahrerinnen) handelte. Umso größer war zudem die Motivation für den nächsten Tag…    

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Tag 3

Anna: Am dritten Tag fühlt sich bei gleichem Start- und Zielbereich wie am Vortag schon alles routiniert an, auch die ersten Meter des Rennens gleichen sich. Die ursprüngliche Strecke von Tag 3 muss leider wegen der Schneemengen in den Bergen gekürzt und geändert werden, so dass sich Teile mit dem Vortag überschneiden. Anfangs sind wir jedoch erstmal auf unbekannten Wegen unterwegs und kriegen gleich wieder neue technische Abfahrten und kleinere Anstiege geboten, ehe wir aufwärts biegen in die Bergwelt oberhalb von St. Moritz. 

Bei den Verpflegungsstellen bin ich stolz, dass ich es mittlerweile schaffe mit einer Hand sowohl Flasche als auch Banane und Gel aufzunehmen (mein Trick: Finger spreizen). Vor lauter Euphorie übersehe ich dabei jedoch in Celerina, dass es direkt danach steil bergauf geht, und arbeite reflexartig die Banane in den Schalthebel ein. Vor uns liegt der gleiche lange Anstieg wie am Vortag, und weil ich diesmal weiß was alles auf uns zukommt sprinte ich weniger ehrgeizig hoch als gestern. Der große Reiz des Rennens ist zunehmend eh weniger der sportliche Wettstreit, sondern eher der gemeinsame Spaß mit den mittlerweile vertrauteren Mitfahrern in schönster Landschaft. So freue mich über einen erneuten Tag mit Petra, die ich gestern schon häufig am Anstieg überholt habe, um ihr dann in der Abfahrt wieder den Vortritt zu lassen. Ich vermisse Wiebke, die sich nach einem Sturz beim Prolog noch tapfer mit genähtem Unterschenkel durch die erste Etappe gekämpft hat, aber heute nicht mehr antritt. Ich kurbel wieder häufig neben Maximilian oder Fausto und mache mir Sorgen um Ralf, den ich deutlich früher hinter mir lasse als am Vortag. 

In netter Gesellschaft ist der lange Anstieg irgendwann geschafft und ich nähere mich zur Abkühlung wieder der beliebten Biker-Dusche in Form der Flussdurchfahrt. Glücklicherweise verfüge ich mittlerweile über Insiderwissen, habe ich doch einen Sportografen an meiner Seite, der die technischen Finessen seines gestrigen Fotospots komplett durchdrungen hat und mir wertvolle Tipps geben kann – „Fahr weit rechts, da ist es weniger tief!“. Ich fuhr also maximal weit rechts, landete in noch tieferem Wasser und konnte mich nur durch eine panische unter-Wasser-150er-Trittfrequenz vor einem Vollbad retten. 

Auf dem letzten Stück erwartet uns noch der WM-Trail und schließlich ein letzter steiler verblockter S3-Trail. Mit dem Wissen, jetzt notfalls auch auf allen Vieren noch das Ziel zu erreichen, bretter ich hier mit wenig Hirn und unter Verschleiß einiger Schutzengel (sorry gen Himmel) auf dem Hardtail runter und komme wie durch ein Wunder heil unten an.

Viel zu schnell endet das tolle Wochenende mit der finalen Siegerehrung, wo ich in der Gesamtwertung immerhin wie am Vortag auf Platz 3 meiner Kategorie lande.

Bleibt zu sagen, dass der VEBG ein nahezu perfektes Rennen ist – die traumhafte Landschaft und das tolle Wetter wurden ergänzt durch eine super Organisation mit unzähligen ausnahmslos netten Helfern, einem Start-/Zielbereich der alles beinhaltete was wir brauchten, hochwertigen Preisen des Sponsors Vaude und einem guten Catering. Ich freue mich jetzt schon riesig aufs nächste Mal!

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Lars: Am dritten Tag liegt mein Foto-Spot nördlich von St. Moritz kurz vor der Alp Muntatsch, etwa auf halber Strecke des längsten Anstiegs des Tages. Eigentlich wollten wir nach den actionreicheren Spots der Vortage hier versuchen, die Anstrengung in den Gesichtern der Biker einzufangen. Das gelingt aber nur so halb, denn nicht wenige können auch nach etlichen Höhenmetern noch immer in die Kamera lächeln und scheinen sichtbar Spaß an der Sache zu haben! Und das, obwohl alle den Streckenabschnitt vom Vortag bereits kennen und wissen, dass ihnen das steilste und mühsamste Stück des Anstiegs noch bevorsteht.

Am frühen Nachmittag ist auch hier wieder der Schlußfahrer durch. Mit insgesamt drei Kameras habe ich etwas 2.000 Bilder “im Kasten”. Also schnell die Lichtschrankenkameras einsammeln, alles einpacken und zurück nach Silvaplana.

Hier bietet sich am Silvaplana-See bei immer noch strahlend blauem Himmel und leicht aufgefrischtem Wind ein eindrucksvolles Bild: See und Ufer sind gespickt mit Hunderten von Kite-Surfern, die nur so hin und her wuseln. Irgendwo dazwischen befindet sich der Start-Zielbereich, wo langsam die Fahrer in chilliger Beachclub-Atmosphäre eintrudeln.

Mein Timing passt mal wieder perfekt, ich bin kaum fünf Minuten da, als Anna ins Ziel gerollt kommt. Wieder mit einem breiten Grinsen im Gesicht, aber das können die anderen Fahrer heute auch ganz gut.

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BettyZunächst dachte ich an ein Déjà-vu zum Vortag, nachdem es den Anschein hatte, dass dieselben 5 Fahrerinnen wieder gemeinsame Sache machen würden. Doch dann riss überraschend eine Fahrerin (Janine Schneider) aus und niemand der Topfavoriten konnte oder wollte folgen. Ich haderte etwas zu lang und meine Entscheidung mitzugehen, fiel leider zu spät. Die Lücke war da und ich bekam den Anschluss nicht mehr. Immerhin schaffte ich es ebenfalls einen Vorsprung herauszufahren und lag somit auf Platz 2. Ich dachte, ich könnte das Loch vielleicht in der ersten Abfahrt wieder schließen, allerdings riskierte ich dabei etwas zu viel, stürzte und mein Sattel und Lenker verbogen sich. Mir selbst tat alles weh, aber das Adrenalin machte es ganz gut erträglich. Den Sattel konnte ich schnell richten, für den Vorbau benötigte ich jedoch einen Mini-Torx, den mein Tool nicht hergab, und so stand der Lenker für den Rest der Etappe um  30 Grad schief. Trotzdem fuhr es sich erstaunlich gut und ich war stolz meinen 2. Platz bis etwa 10km vor dem Ziel halten zu können.

Hier war er dann aus, der Traum. Sabine Spitz schloss zu mir auf und hatte eindeutig die besseren Reserven. Mit meinem semi-kontrollierbaren Fahrstil (wegen des schiefen Lenkers), ging im letzten Downhill auch noch Chérie Redecker an mir vorbei und meine Podiumsplatzierung verflog im Wind…

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Enttäuscht? Im ersten Moment, klar. Aber rückblickend auch sehr zufrieden mit meiner Performance und neugierig, was alles ohne Handicap möglich gewesen wäre…. Ich habe definitiv Blut geleckt, es hat Spaß gemacht die Profis ein bisschen zu ärgern und ich freue mich schon jetzt auf die nächste Ausgabe…!  

      

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