Spontane Entscheidung sind meist die besten Entscheidungen. Das hat das letzte Wochenende rundum bestätigt. Der Start beim Engadiner Radmarathon –ein Traum. Wie immer zu spät bei Anmeldungen ermöglichte mir Sportograf am Freitagabend vor dem Marathon den Start (Freitagabend entschieden Sonntag im Engadin zu starten, Samstag in die Schweiz nach Zernez im Engadin gereist, spontaner geht es wohl nicht ;)). Samstagvormittag ging es über Chur, Davos und den Flüelapass nach Zernez – Startpunkt des Marathons – somit konnte ich bereits einen kleinen Teil der Strecke im Auto bestaunen. Alleine die Überfahrt mit dem Auto entlang grüner Almwiesen des Flüelapass steigerte meine Vorfreude ins Unermessliche und auch ein bisschen meine Nervosität, als ich merkte was mir bevorstehen würde. In netter und sehr familiärer Atmosphäre hörte ich mir abends im Fahrerbriefing an, worauf zu achten ist, bei welchen Baustellen man aufpassen muss – und natürlich die Kenntnisnahme, dass die Rhätische Bahn IMMER Vorfahrt hat. 🙂
6.45 Uhr am nächsten Morgen finde ich mich aufgeregt in einem der Startblöcke ein. In Mitten blitzeblank geputzter Rennmaschinen reihte ich mich mit meinem etwas verdreckten Rennrad ein (Zeit zum Putzen hatte ich nicht mehr, aber scheinbar ein Muss für ein Radrennen ;)). Noch einmal durchatmen und los ging es in der morgendliche Kälte (Brrr… 5 °C). Zum Aufwärmen gab es direkt hinter Zernez den ersten Anstieg: Ein Traum kurz nach 7 bei strahlend blauem Himmel in Mitten einer wunderschönen Bergkulisse zu fahren, nur das Rauschen der Räder und Schnaufen der Teilnehmer.
Das erste Highlight ließ nicht lange auf sich warten: Nach ca. 20 km geht es durch den gesperrten Straßentunnel nach Livigno. Es ist atemberaubend, wenn man aus der Dunkelheit des Tunnels in die morgendliche Stimmung der Alpen um den Lago die Livigno fährt, fast schon ein wenig kitschig. Bereits hier war für mich klar, dass der Start sich gelohnt hat, egal welche Strapazen noch kommen mögen. Für alle Teilnehmer des Radmarathons, ob 97km oder 214km, warteten nun die ersten beiden Bergpässe: Forcola di Livigno und Berninapass. (Kurz zur Info beim Engadiner Radmarathon kann man sich bis zur Streckenteilung in Zernez bei 97 km entscheiden, ob man die lange oder kurze Strecke fahren möchte). Vorbei an Almwiesen, Kühen, in Mitten der hohen majestätischen Berge und immer wieder begeistert anfeuernde Zuschauer liefen die ersten beiden Berge wie geschmiert. Berge liebe ich einfach (eigentlich ;)). Auf dem Berninapass angekommen geht es in eine rasante, aber sehr gut zu fahrende Abfahrt Richtung Pontresina und Samedan. Immer wieder tolle Ausblicke auf die Gletscher des Piz Bernina und Piz Palü. Hier galt es für alle eine gute Gruppe zu finden, da man ab Samedan bis zurück nach Zernez eine flachere Passage vor sich hat, aber mit viel Gegenwind im Tal. Vorbei an kleinen, schönen Schweizer Bergdörfern rasten wir gen Zernez durch das Inntal. Ein großer Teil der Gruppe bog (leider) nach rechts Richtung Ziel, sodass ich erst einmal alleine auf die zweite Runde startete. Bis hierhin lief alles top, ich fühlte mich super, beflügelt durch die Landschaft und die traumhafte Umgebung.
Doch bereits im Anstieg des Flüela merkte ich, oh es könnte ein harter Tag werden. Die Kurbel ließ sich immer schwerer drehen, die Beine waren leer, der Kopf wollte, aber der Körper nicht. Ich hatte definitiv die ersten 97 km zu wenig getrunken und gegessen, mir knurrte ein wenig der Magen. Das Wissen auf eine Cola auf dem Flüela motiviert mich, zudem versuchte ich mich mit Alpenblick links und rechts abzulenken. Zu sehen, dass man „Mitleidende“ um sich hat, die mal mehr oder weniger gesprächig waren angesichts der saftigen Steigungen baute mich ebenfalls ein wenig auf. Auf dem Dach des Marathons (2383m) kurz angehalten, die lang ersehnte Cola getrunken, Kekse und Bananen gegessen und im Kopf einen Hacken an den dritten Berg gemacht.
Die Abfahrt nach Davos hielt die zweite Lehrstunde für mich parat: bei Temperaturen um die 5°C ist es sinnvoll die Jacke, die man im Trikot mit sich führt anzuziehen, statt Zähne klappernd und frieren gen Davos zu fahren. Die kleine Zwangspause an der Bahnschrank in Davos nutzte ich, um die wärmenden Sonnenstrahlen ein wenig zu genießen. Bis zum letzten Anstieg, dem Albulapass, fand ich nette Gesellschaft und gemeinsam ging dieser Teil der Strecke rasch vorbei. In Alvaneu kurz verpflegt, mein neues Lieblingsgetränk Cola getrunken und schon ging es in den letzten Anstieg des Tages. Das sollte doch zumachen sein, 26 km berghoch und sogar weniger steil wie der vorherige Anstieg!? Leichter gedacht als getan, denn durch ständige Rhythmuswechsel mit bis zu 10/12 Prozent Steigung wurde der Berg an diesem Tag eine richtige Herausforderung. Bis zum Gipfel auf 2312m waren 1365 Höhenmeter zu überwinden.
Auch wenn die Kulisse für die Strapazen einen belohnt: Vor Bergün ist die Straße in den Fels gehauen, rechts geht es tief hinunter. Nach Bergün windet sich die Straße unermüdlich Richtung Pass, entlang wunderschöner Bergseen (hier wäre ich am liebsten abgestiegen und hätte ein erfrischendes Bad genommen ;). Immer wieder sieht man die Bahnstrecke der Rhätischen Bahn sich ebenfalls den Berg hochschlängeln über alte Bahn-Viadukte. Je länger der Anstieg dauert, desto schwerer ging die Kurbel und auch bei mehrfachem Versuch zu schalten, es gab einfach keinen leichteren Gang. Meine Bergliebe auf dem Rad schwand zunehmend, die kalte Abfahrt vom Flüela hat mich Körner gekostet und mein Energiedefizit von den berauschenden ersten 97km ohne wirkliche Verpflegung rächte sich zunehmend. Heute war es am Berg ein Kampf gegen mich selber, aber das gehört auch irgendwie zum Sport dazu, vielleicht macht man sowas auch gerade deswegen. 🙂 Glücklicherweise fand ich eine Gruppe 5km vorm Erreichen des Passes und gemeinsam konnten wir uns bis zum Pass motivieren. Auf dem Albulapass angekommen, konnte ich ein Lächeln auf meinem Gesicht nicht unterdrücken: Ich hatte es geschafft! Und bis zum Ziel ging es ja „nur“ noch 20-30km bergab. Dabei habe ich den Wind im Inntal vergessen (- die letzten Kilometer gehen wieder durch das Inntal Richtung Zernez). Und irgendwie niemanden in Sicht mit dem ich zusammenfahren konnte, denn zwar bin ich nicht die beste Abfahrerin, aber meine gefundene Gruppe hinauf, lies sich bergab mehr Zeit als ich. Gott sei Dank gab es zwei Baustelle auf dieser Strecke, und wie durch ein Wunder hatte ich keine Vorfahrt. So trudelten von hinten mehrere Fahrer ein. Zusammen ließen sich die letzten Kilometer entlang des hellblauen Inns im Fluge bewältigen und freudestrahlend erreichte ich das Ziel in Zernez. Cola und leckere Engadiner-Nusstorte verhalfen zur raschen Regeneration.
Berauscht von der unbeschreiblich schönen Landschaft, den persönlichen Höhen und Tiefen und Glücklich im Ziel zu sein, fuhren wir wieder zurück nach Freiburg (und bereits im Kopf am Überlegen wo ich den nächsten Radmarathon fahren kann, Look Marmotte Valais vielleicht?). Einen Start beim Engadiner Radmarathons kann ich jedenfalls nur wärmstens empfehlen: Alpenpanorama pur gepaart mit einer sehr gut organisierten Veranstaltung.
text by Stephanie Schmitz-Weckauf
Herzlichen Glückwunsch zu den tollen Fotos und zum erfolgreichen Finish
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schöner hätte man diesen Tag nicht beschrieben können
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