125km mit 5025 Höhenmetern. Freiwillig. Einfach so. Und das sechs Wochen nach einer Herz-OP…
Wer um um 4:30Uhr eine Ladung Kohlenhydraten in sich hineinschiebt, gepaart mit einem Cappuccino samt doppelten Espresso, wer sich um 6:30Uhr im Halbdunkeln bei noch niedrigen Temperaturen an die Startlinie eines Mountainbike-Rennens stellt und Jahr für Jahr aufs neue die Strapazen von 125km und 5025 Höhenmetern auf sich nimmt (inklusive einer Trage/Schiebepassage von ca einer halben Stunde), wer von seinem Garmin zunächst die Auszeichnung „zum Frühaufsteher“ erhält, bevor es dann nach rund 8 Stunden Laufzeit „Akku ist schwach“ anzeigt, der hat entweder irgendwo eine Schraube locker, oder muss diesen Sport schon sehr, sehr lieben…
Doch der Reihe nach:
Dieser Blogeintrag hat lange auf sich warten müssen. Viele fragten sich vielleicht, was los sei. Ich mich auch. Normalerweise versuche ich, den Dingen immer etwas Positives abzugewinnen (und auch entsprechend positiv zu berichten – selbst wenn es einmal nicht so läuft), doch in diesem Jahr gab es schlichtweg wenig Lichtblicke.
Bereits der Einstieg in die Saison vermochte nichts Gutes. Bei meinem ersten Rennen wurde ich auf der Startgeraden dermaßen umgenietet, dass ich stürzte, mein Helm brach und das Rennen frühzeitig aufgeben musste). Ein Monat später folgte ein weiterer Crash bei den Europameisterschaften (diesmal immerhin selbstverschuldet), der mich durch eine gerissene Strecksehne am Daumen mit Gips weitere 6 Wochen kostete. Als wäre das nicht schon genug, erwischte mich anschließend ein Infekt, sodass auch die Deutsche Meisterschaft dahin war, und obwohl ich mich (sowohl körperlich als auch mental) immer wieder neu motivierte und aufpäppelte, stimmte irgendetwas ganz grundsätzlich nicht!
Die paar wenigen Rennen, die ich bestritt, waren ernüchternd. Es fühlte sich genauso zäh an, wie die vorangegangene Saison aufgehörte, wobei ich mir damals noch einredete, ich hätte mich durch zu viele Renntage (38 Stück/2017!) schlichtweg verheizt. In diesem Jahr konnte das definitiv nicht sein. Natürlich war es schwer nach all den Rückschlägen die Form zu konservieren, aber selbst mit neuem Aufbau und genügend Regeneration lief es alles andere als erhofft.
Ich fing an, mit mir selbst zu hadern, zwanghaft nach Erklärungen zu suchen, verlor an Selbstvertrauen und nach etlichen Enttäuschungen langsam auch den Spaß. Was war los mit mir? Wie konnte es mit der Form so rapide den Bach runtergehen….??? Und war ich überhaupt noch in der Lage Rennen zu fahren, ohne an Platzierungen zu denken?
Schlussendlich brachte nach etlichen Arztbesuchen, eine sportmedizinische Routineuntersuchung die Erkenntnis. Die Sportärzte, die mich seit Jahren kennen, konnten es selbst kaum glauben: Im Echokardiogramm diagnostizierte man ein knapp 2cm großes Loch in meinem Herzen (genauer gesagt in der Scheidewand zwischen den Vorkammern), durch das Blut durchströmte (53% Shuntvolumen). Die rechte Herzhälfte hatte sich in der Folge krankhaft vergrößert. Alles in allem nichts lebensbedrohliches, aber man muss wohl kein Mediziner sein, um zu erkennen, dass mit einem defektem Herzen keine Bestleistungen möglich sind…
Ungefähr zwei Tage lang ging für mich nach dieser Diagnose die Welt unter. Es macht nicht wirklich Spaß, jedes Mal, wenn man denkt, jetzt kann es nur noch besser werden, erneut eins auf den Deckel zu bekommen. Und diesmal dachte ich wirklich, das war es jetzt mit dem Sport. Am dritten Tag drehte die Erde aber dann doch wieder ganz normal weiter und schlussendlich war ich sogar dankbar, dass alles rechtzeitig erkannt wurde und ich endlich wusste, was los war. Nach einer erfolgreichen Behandlung dürfte ich wieder alles machen, selbst Leistungssport mit Spitzenbelastungen, so die Ärzte.
Natürlich klingt die Idee, nur 6 Wochen nach diesem Eingriff (mir wurde eine Art „Schirmchen“ eingesetzt, das das Loch verschließt) direkt bei einem der härtesten Mountainbike-Marathons der Welt an den Start zu gehen, total verrückt. Aber wie gesagt, wer beim Grand Raid startet, ist vermutlich ohnehin irgendwie durchgeknallt, oder tut es ganz einfach aus Leidenschaft.
Bei mir war es beides. Ich suchte mir dieses Rennen aus, da es für mich, eines der schönsten überhaupt ist und schlicht Kultstatus besitzt. Sowohl die Landschaft mit atemberaubender Kulisse, als auch die abwechslungsreiche Strecke, lassen die Zeit so schnell vergehen, wie bei kaum einem anderen Marathon. (Und das trotz seiner 8-9 Stunden Fahrzeit!!!).
Natürlich hat sich – nach einer alles anderen als optimalen Vorbereitung – mein Fokus verändert. (Zumal ich momentan noch für 6 Monate Blutverdünnungsmittel einnehmen muss). Wurde ich im letzten Jahr hier noch Dritte, war in diesem Jahr das reine Ankommen das Ziel. Gesund und mit Spaß. Das war das Wichtigste!
Und: Ich wollte endlich meine erste SPORTOGRAF FOTO-FLAT in diesem Jahr!!! 🙂
Die Ehrfurcht vor der enormen Distanz, gepaart mit der Vorfreude das frisch eingesetzte Schirmchen auf Herz und Nieren zu testen 😉 und nach knapp 4 Monaten Rennpause endlich wieder die Chance zu haben, ein Rennen zu finishen, war wohl der ultimative Härtetest.
Ich liebte die Herausforderung und genoss jede einzelne Minute. Vermutlich mehr als jemals zuvor. Ich ging das Rennen mit großem Respekt verhalten an, (war die Platzierung doch nebensächlich) und fühlte mich gegen Ende immer besser. (Ganz so, als würde sich der Trainingseffekt wegen des Trainingsrückstandes schon während des Rennens bemerkbar machen 😉 😉 ;-)). Das Gefühl mit knapp 2000 anderen Teilnehmern beim ältesten Bike-Marathon Eurpopas, mit gesundem Herzen dabei sein zu dürfen, war grandios! Die Stimmung am Start im Morgengrauen ist nahezu mythisch. Das Rennen eine Legende!
Mein gesetztes Ziel, das Rennen mit Spaß zu beenden, habe ich definitiv erreicht. Die Foto-Flat verdient und den 6. Platz nehme ich natürlich auch gerne mit. Aber mehr denn je, wurde mir bewusst, dass Platzierungen nicht alles sind…
Fazit: Wer eine Herausforderung sucht, ist beim Grand Raid genau richtig! Natürlich muss man sich kurz zuvor nicht unbedingt einer Herz-OP unterziehen (ist doch das Höhenprofil allein schon furchteinflößend genug). Es ist die Leidenschaft, die zählt! Und die spürt man beim Grand Raid im übrigen nicht nur bei den Teilnehmern, sondern auch beim Veranstalter, den etlichen Zuschauern (die einen den legendären Pas de Lona geradezu hinaufbrüllen), sowie allen anderen Helfern und Gönnern.
Und eines ist gewiss: das Gefühl beim Einbiegen in den letzten knapp 20Kilometer langen Downhill, das Ziel vor Augen und die Gewissheit es geschafft zu haben, entschädigt all die zuvor aufgenommen Strapazen bei Weitem! Platzierung hin oder her. Man muss es lieben!
Danke an alle, die mich unterstützen. Immer, auch in schwierigen Zeiten. Allen voran meine Familie und mein durchgeknallter Ehemann, meine fantastischen Freunde, auf die ich immer zählen kann, sowie meine Sponsoren. Ohne Euch wäre das nicht möglich. Ihr seid die Besten!!!
In Augenblicken wie diesen, hat man die Zeit innezuhalten und zu resümieren. Wenn ich auf die letzten Jahre zurückblicke, so habe ich doch mehr erreicht, als ich mir je hätte vorstellen können. Ich wurde auf Hawaii Weltmeisterin im Crosstritahlon (XTERRA, U25), gewann Bronze bei den Deutschen Meisterschaften im Mountainbiken Marathon und stand zuletzt auf Platz 1 der Weltrangliste. Wenn ich nun bedenke, dass ich all das mit einem angeborenen Loch im Herzen erreicht habe, so zaubert mir das ein Grinsen ins Gesicht. Danke dafür!
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Glückwunsch, auch wenn ich Dich für total verrückt halte ;-).
Schön, dass die Ärzte Dein PFO frühzeitig erkannt haben. Hätte auch anders ausgehen können.
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