Alles begann 2013, als ich meinen ersten MTB-Marathon auf der Strecke E der Salzkammergut Trophy fuhr – ich war begeistert und das MTB-Fieber packte mich. Jedes Jahr absolvierte ich eine längere Distanz bei der Trophy und 2016 war die Strecke B mit 119 km und 3848 hm an der Reihe. Als ich im Ziel voller Glücksgefühle ankam, hatte ich schon die A-Distanz ins Auge gefasst, schließlich ist diese Distanz das Non plus ultra in der Mountainbike-Marathon-Szene. Die doppelte B-Distanz – sollte im Bereich des Möglichen liegen. Ob das wirklich so ist, wird sich nächstes Jahr zeigen.
Vorbereitungen
Mein Plan für die Saison war über den Winter die Grundkondition auf der Rolle auszubauen. Die Zeit für Trainingseinheiten ist neben einem Vollzeit-Job und einem berufsbegleitenden Studium nicht viel, jedoch konnte ich mich immer wieder für weitere Trainingseinheiten motivieren um mein persönliches Ziel – die 211km und 7119hm in unter 14 Stunden zu finishen – zu erreichen.
Die Statistik von 2017 zeigt eine Woche vor dem Rennen knapp 60 Aktivitäten, mit insgesamt 100 Stunden im Sattel und 2.000 km mit 20.000 Höhenmetern in den Beinen ein recht passables Ergebnis, jedoch hätten es einige Höhenmeter mehr sein können. Als „Vorbereitung“ auf die Extremdistanz nahm ich am Sellaronda HERO teil, welcher genau ein Monat vor der Trophy stattfand.
Ein Wochenende vor dem Rennen ist die Vorfreude auf das Rennen auf ein neues Level gestiegen. Die letzten intensiven Trainingseinheiten werden absolviert und das Bike nochmals herausgeputzt. Unter der Woche ging ich noch zu meinem Händler des Vertrauens, um den verpflichtenden Bike-Check für die Strecke A zu erledigen.
Nun genug Vorgeschichte, jetzt geht´s zum eigentlichen Rennbericht.
Rennen
„Einmal Hölle und zurück“ – Die Extremdistanz der Trophy machte ihrem Motto alle Ehre – im strömenden Regen rollte ich um 4 Uhr in der Früh zum Startbereich. Schließlich muss man versuchen in den ersten Reihen zu starten, um nicht bei der ersten Engstelle Schlange stehen zu müssen. 4 Uhr in der Früh – der Startbereich ist dank des starken Regens menschenleer und nur vereinzelnd findet man Gleichgesinnte unter einem Dachvorsprung versteckt. Also stelle ich mich ebenfalls unter einen Dachvorsprung nahe dem Startbogen und komme mit einem Norweger ins Gespräch der sichtlich genervt von dem schlechten Wetter ist. Langsam kommt Leben in den Startbereich – eine Gruppe feiernder Goiserer ziehen durch die Straßen und feuern jeden Mountainbiker an, der Teufel vom Salzkammergut kommt höchstpersönlich zum Start und immer mehr Athleten finden sich im Startbereich ein. Unter ihnen auch Helmut, mein Trainingspartner und Mentor für die Extremdistanz. Gemeinsam rollen wir bis zur Startlinie vor und verstecken uns unter einem Regenschirm um die letzten 15 Minuten vor dem Start halbwegs trocken zu bleiben. Mein familiäres Betreuungsteam traf auch langsam ein, um mich beim Start anzufeuern.
Anmerkung: Eine persönliche Betreuung auf der Extremdistanz ist sehr zu empfehlen, jedoch gibt es auch insgesamt 14 Labestationen bei denen man bestens versorgt wird.
Um 5 Uhr beginnt das Rennen auf der Extremdistanz. Das anfangs schnelle Tempo reduziert sich im ersten Anstieg auf den Rehkogel. Weiter Richtung Raschberg folgt eine Holzbrücke, wo es bekanntlich zum Stau kommt. Danach folgt ein steiles Stück bergauf, hier habe ich das Gefühl mitten in einem Bachbett zu spazieren. Meine optische Brille ist inzwischen angelaufen und verdreckt. Ich verstaue sie in meiner Regenjacke und hoffe darauf auch ohne ihr klar zu kommen. Am Raschberg angekommen, zeigt mir mein Garmin eine Temperatur von 3°C – und das bei Regen. Meine Hände werden steif und ich versuche mich warm zu halten. Zum Glück geht es nun wieder bergab. Es regnet noch immer und die Regenhose, welche ich noch am Vorabend auf der Expo erworben hatte, erfüllte ihren Zweck. Am Ende des darauf folgenden Anstiegs vernehme ich die Rufe aus der Fanzone auf der Hütteneckalm, die auch mit dem Helishuttel zu erreichen ist, und trete nochmals fester in die Kurbel. Gleich geht es bergab.
Der berüchtigte Ochsentod nach der Hütteneckalm machte auch diesem Jahr dank des starken Regens seinem Namen alle Ehre. Der Ochsentod ist eine circa 100 Meter lange Abwärts-Passage, welche bei Nässe mit der Zeit unfahrbar wird. Geschätzte 70% der Fahrer schieben schon zu Beginn der Passage und einige schaffen es ein paar Meter weiter, bis sie schließlich einen schiebenden Fahrer vor sich haben und auch absteigen müssen. Auch ich steige nach einigen Metern ab und mein Überschuh beginnt sich mich Gatsch zu befüllen. Ein paar Schritte weiter auf den rutschigen Wurzelstufen füllt sich auch mein Schuh mit kalten Schlamm.
Zum Glück ist diese Passage nicht allzu lang und der Ochsentod spuckt einem bald wieder auf einer Forststraße aus. Die nächste markante Stelle der Strecke folgt bald darauf – die Durchfahrt durch die ewige Wand. Auf der Extremdistanz kann der Ausblick von dort oben gleich zweimal genossen werden. Bad Goisern verschwindet hinter Nebelfetzen die durch den anhaltenden Regen ziehen.
Unten angekommen, folgt die Durchfahrt durch Lauffen, ein echt genialer Abschnitt des Rennens, denn es geht über eine enge Gasse mit Stufen auf den Windensteg. So wird das Ufer gewechselt und es geht weiter Richtung Weißenbach, wo mein Betreuungsteam auf mich wartet. 10 Minuten hinter der vorhergesagten Zeit, mein Vater versucht mich mit Worten wie, „Das Wetter soll besser werden, durchhalten!“ zu motivieren.
Ich ziehe meine Beinlinge aus, welche mittlerweile ein beachtliches Gewicht angenommen haben. Weiter geht’s durch das erste Zeitlimit. Ich passiere das 8 Uhr Zeitlimit um 7:40 und fahre wieder den Rehkogel hinauf. Der Weg nach Reith ist schnell und ich komme gut voran. Die technischen Abschnitte zwischendurch machen deutlich Spaß und ehe man sich versieht steht der Loser vor einem. Nebelschwaden umschlingen ihn. Ich genieße den Augenblick während ich über die Wiesenwege fahre bevor es wieder bergauf geht.
Dank meiner vorherigen Teilnahmen bei der Salzkammergut Trophy kannte ich den Großteil der Strecke. Nur die Schleife nach Reith (Altaussee) und die Schleife nach Bad Ischl über den Gamsofen waren mir nicht vertraut.
Kurz nach der Hagan Lodge schlägt der Teufel zu. Ein lauter Knacks und mein Sattel ist um 15° nach hinten geneigt. Ich steige ab und schaue mir meine Sattelstütze genauer an. Ein paar Fans am Waldrand helfen mir bei der Reparatur. Ich bedanke mich und fahre weiter, doch fünf Tritte später knackst es erneut und der Sattel ist wieder nach hinten geneigt. Ich fluche – ist das das Aus für mich? Muss ich mich geschlagen geben? Eigentlich wollte ich es bis ins Ziel schaffen…
Ich kannte die Stelle bereits vom Training und wusste, dass nun ein langes Stück bergab bis zur Rettenbachalm folgen wird. Also schnell die letzten Meter mein Hardtail bergauf geschoben und im Stehen bis zur Rettenbachalm gefahren. Doch dort war keine Servicestation. Schnell die Sattelstütze gereinigt und die Klemmung des Sattels komplett zerlegt. Dank meines Multitools hatte ich den passenden Imbus dazu und konnte die Klemmung erneut anziehen. Aufstiegen – weiterfahren – kurzer Check – der Sattel hält vorerst mal wieder. Es folgte ein 450 hm Anstieg bis zur Tauernkreuzung. Habe ich schon erwähnt, dass es geregnet hat?
Dank des Defekts kamen mir hier schon die Spitzenfahrer entgegen. Ich hatte die Schleife nach Bad Ischl noch vor mir, also schnell abgebogen. Kurz noch stehen geblieben und schnell die Brille geputzt – eine gute Sicht hier ist entscheidend. Da der Trail nach Bad Ischl über den Gamsofen sehr technisch ist, hatte ich mir diesen Streckenabschnitt im Vorhinein angesehen, was sich beim Rennen als klarer Vorteil zeigte. Obwohl der Trail sehr nass war konnte ich die bergab schiebenden Teilnehmer überholen und den Trail durchfahren.
Noch einmal geht es von Bad Ischl über Hinterrad und der Tauernkreuzung zur Hütteneckalm hinauf wo es anschließend wieder über die ewige Wand nach Lauffen geht. In Lauffen wollte ich dieses Mal die Stufen durchfahren, ein lautes „Vorsicht“ und alle machten Platz. Ich bedanke mich und fahre die Stufen, welche nach links drehen runter.
In Weißenbach wartet erneut meine bessere Hälfte auf mich. Flaschen und Küsse werden ausgetauscht. Da es kurz nach Lauffen aufgehört hat zu regnen, entledige ich mich meiner schweren und dreckigen Überschuhe und ziehe mir ein neues Trikot an. Die Regenjacke geht wieder mit, wer weiß wann es wieder regnet. Mit neuer Motivation starte ich hinauf Richtung Hochmuth. Vom Hochmuth geht es über sehr rutschige Wiesenwege bergab, dazwischen ein Stück Straße, auf der man mit den verschlammten Reifen nicht allzu viel riskieren sollte.
Es folgt eine 18 km lange Schleife um den Hallstättersee. Hier habe ich Glück, ich erwische eine schnelle Gruppe und gemeinsam treiben wir uns am Ufer entlang. Der Salzberg rückt immer näher, doch bevor es steil bergauf geht, heißt es noch einmal Flaschen wechseln. Meine Schwester erwartet mich diesmal beim Assistenzpunkt in Hallstatt und danach biege ich ab Richtung Salzberg.
Ich versuche die Kehren rauf bis zur Bergstation durchzufahren, doch langsam ging mir die Kraft aus. Ich erinnere mich an das perfekte Foto vom Sportograf im Vorjahr. Irgendwo hier muss diese Kehre doch sein. Da ich kein Foto haben will, auf dem ich mein Bike den Salzberg bergauf schiebe, trete ich nochmals in die Pedale. Kehre um Kehre ziehe ich nach oben und siehe da, der Fotograf ist da. Auch dieses Jahr die perfekte Kulisse.
Ab der Bergstation muss ich dann doch schieben. Ich ziehe den Hut vor allen Fahrern die dieses Stück durchfahren.
Das vorletzte Zeitlimit zwischen Salzberg und Roßalm gibt mir noch 30 Minuten. Doch zur Roßalm ist es ein sehr langer Weg bergauf. Meine Motivation hält sich in Grenzen doch ich stelle mir immer wieder vor, das Ziel zu erreichen und schaffe es bis zur Roßalm. Schnell die Schotterstraße hinunter rasen, am vorderen Gosausee vorbei und ab nach Hintertal.
In Gosau/Hintertal dann das letzte Zeitlimit vor dem Ziel um 19:15 – ich passierte das Zeitlimit um ca. 19:00 Uhr und wusste, wenn ich jetzt nicht Alles gebe komme ich nicht vor 21 Uhr ins Ziel. Doch noch ein schneller Stopp. Meine Freundin erwartet mich wieder beim Assistenzpunkt und drückt mir meine letzten Flaschen und Gels in die Hände. Also alle meine übrig gebliebenen Kräfte mobilisiert und die letzten 400 hm hinauf strampeln. Beim Sportzentrum in Gosau bleiben mir schließlich nur mehr 55 Minuten.
Von Gosau geht’s dann meistens bergab auf der Straße nach Bad Goisern. Ein kleiner Knick im Höhendiagramm von schwachen 100 hm ließ mich noch kurz an einem Finish unter 16 Stunden zweifeln doch ich versuchte, den letzten Anstieg so schnell wie möglich zu fahren. Danach folgt ein schneller Schotterweg bis man schließlich wieder auf der Bundesstraße ist. Weiter geht es auf der Straße und kurze Zeit später folgt ein schneller Waldweg. Schnell noch durch die Fanzone Sagadlpass und ab auf die Zielgerade.
Ein Blick auf den Garmin und ich setzte zum Zielsprint an. Finish in 15:53:39. Wahnsinn – Dieser Moment, wenn du nach 210,2 km und 7119 hm über die Ziellinie fährst – unbezahlbar und unglaublich.
Nach einer ausgiebigen warmen Dusche und einige Erfahrungen reicher schlafe ich sofort ein – was für ein Tag.
Ausblick
Für mich wird es sicher nicht das letzte Mal auf der Extremdistanz gewesen sein – meine persönliche Zeit hat noch Verbesserungspotenzial.
Im Nachhinein betrachtet, hatte ich zu wenige Trainingseinheiten die speziell auf diese lange Distanz ausgelegt sind.
Text: Adrian „Mizi“ Seitl