Bei dem Begriff „Fairplay“ denkt man vermutlich zunächst an Spielsportarten, doch auch im Radsport gibt es gewisse Verhaltensweisen und Haltungen, die gegenseitige Rücksichtnahme, Verantwortung und Respekt zur Geltung bringen. Ungeschriebene Gesetze besagen beispielsweise, dass man Gefahrenstellen anzeigt, bei Stürzen nicht attackiert, sich beim Windschattenfahren abwechselt und vieles mehr. Ob und in welchem Maß sich an solche inoffiziellen Regeln gehalten wird, kontrolliert letztlich aber niemand, außer das eigene Gewissen…
Der Schwarzwald Bike Marathon vergangenes Wochenende hat eindrücklich gezeigt, dass ein solches Gewissen völlig unterschiedlich ausgeprägt sein kann:
Ich fuhr das Rennen zusammen mit meiner langjährigen Freundin Becci (eine Triathletin, sprich Druck ohne Ende, und trotz Triathlon eine erstaunlich gute MTB-Fahrtechnik!;-)) Gerade von Freunden kennt man natürlich die Stärken und Schwächen und Freundschaft hin oder her, im Rennen ist man dann doch auch Konkurrent. Nicht umsonst ist Radsport eine Individualsportart, jeder geht an seine Grenze und möchte für sich selbst das Beste rausholen. Geschenkt wird einem nichts. Andernfalls könnte man es ja auch einfach bei gemeinsamen Touren belassen.

Der Schwarzwald Bike Marathon ist aber nun mal keine Tour, sondern mit 1800 Teilnehmern einer der größten Mountainbike Marathons Deutschlands. Mein Ziel war daher das Podium und zwar so weit oben wie möglich;-) Aus diesem Grund fuhr ich bereits am ersten Anstieg davon und freute mich insgeheim, dass die Beinchen wieder so kurbelten wie ich wollte, und keine der Konkurrentinnen folgen konnte. Ist das schon Schadenfreude…?
Zu meiner Verwunderung war ich extrem gelassen, als nach etwa einem Viertel des Rennens Becci zu mir aufschloss. Ich wusste mit ihr kann man gut zusammenarbeiten und bei einer Streckenlänge von 120km ist gute Gesellschaft von Vorteil. Wir harmonierten perfekt! Es machte Laune 🙂

Bis es plötzlich so richtig schepperte!
Ich verlor in einer Schotterkurve den Grip und stürzte schmerzhaft. Alles tat weh, ich wollte mich auf keinen Fall weiter bewegen, das Rennen war – so dachte ich – gelaufen und ich hoffte nur, dass nichts nachhaltig kaputt oder gebrochen ist (weder am Rad, noch an mir selbst!). Das Atmen tat weh, der Kopf dröhnte, ein Finger sah etwas schief aus. Ich wurde an den Rand getragen, damit nicht noch weitere Fahrer in mich hinein rauschten. Als ich wieder etwas klarer denken konnte, wurde mir bewusst, dass es Becci war, die sich da um mich kümmerte und eigentlich lagen wir ja in Führung. „Fahr weiter Becci!“ sagte ich, dass wenigstens sie sich den Sieg holen würde. Wenig später war eine Verpflegungsstation, an der würde man sich schon um mich kümmern.
Aber sie blieb, bis wir uns vergewisserten, dass tatsächlich nichts wirklich Schlimmes mit mir passiert war und ich versuchte langsam und vorsichtig weiterzufahren. Spätestens jetzt, hätte Becci wieder Vollgas geben können, aber sie wartete und gab mir die Zeit, die ich brauchte einen neuen Rhythmus zu finden. Mein Körper tat weh, der Kopf hatte eine Blockade. Schotterkurven fuhr ich fortan wie der erste Mensch. Laut Garmin lag ich nach dem Crash knapp 6 Minuten. Wie kann man sooo viel Geduld haben, fragte ich mich insgeheim? Bei der nächsten langen Schotterabfahrt konnten wir ein paar Hundert Meter hinter uns die nächste Frau erahnen. Und noch immer blieb Becci völlig gelassen. Scheinbar vertraute sie auf unsere Stärken und wusste, dass ich mich irgendwie durchbeißen und wieder fangen würde. Zu diesem Zeitpunkt wusste sie eindeutig mehr als ich.
Auf den noch rund 40verbleibenden Kilometern fuhren wir dann tatsächlich noch einmal rund 7Minuten heraus. Und dann eine Frage, die mich bis heute komplett vom Hocker haut: „Machen wir ein schönes gemeinsames Sportograf-Bild bei der Zieleinfahrt?“
Im ersten Moment wusste ich nicht, ob ich vom Sturz nicht mehr richtig bei Sinnen war, oder ob es tatsächlich ihr Ernst war.
Liebe Becci, der Sieg gehört dir, aber das Bild bekommst du trotzdem!
Und für mich ein zweiter Platz, der wesentlich mehr hergibt als das, was auf Papier geschrieben steht.

Eure Betty
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