Als habe man ihn zwischen Alpen und Pyrenäen vergessen, ragt der Mont Ventoux aus der Provence empor – ein steinerner Koloss von fast 2.000 Metern Höhe. Sein Haupt ist kahl gefegt vom Mistral – keine Bäume, wenig Sträucher, eine Wüste aus Geröll. Am Gipfel thront weithin sichtbar ein weißer Turm mit roter Antenne.
Der Ventoux ist der „Gigant der Provence“, ein Sehnsuchtsberg des Radsports. Jahr für Jahr tränken tausende Hobbyradler die drei Straßen mit ihrem Schweiß. Der charakteristische Berg zieht sie magisch an. Und es ist gut möglich, dass sich ein neuer Radmarathon etablieren wird, der in diesen Tagen das erste Mal ausgetragen wurde. Organisiert hat den GFNY Mont Ventoux unter anderem Nicolas Garcera, ein 37-jähriger Ex-Profi aus Vaison-la-Romaine wenige Kilometer westlich des Mont Ventoux. „Ich habe als Fahrer schon immer von einem Rennen mit Bergankunft am Ventoux geträumt. Diesen Traum nun als Veranstalter so vielen Menschen zu ermöglichen und im Führungsfahrzeug mitzuerleben, ist ein unvergleichliches Gefühl. Gerade der Start – nach einem Jahr Vorbereitung – war ein extrem emotionaler Moment für mich.“
1.020 Fahrerinnen und Fahrer aus 31 Nationen nahmen teil, zwei Drittel schafften es ins Ziel. Die lange Strecke führte über 135 Kilometer und 3.600 Höhenmeter. „Der Slogan der Gran Fondo New York-Rennserie lautet `Be a Pro for a Day´“, erklärt er, „und die Teilnehmer konnten sich wirklich ein bisschen wie die Profis fühlen: ein Rennen über die Hügel der wunderschönen Provence mit Bergankunft am Ventoux, aufwändig gesicherte Straßen, Zeitmessung per Chip, Altersklassenwertungen, alle 30 Kilometer eine Verpflegungsstation… Dazu war auch das Wetter hervorragend. Kurzum: ein Erlebnis mit allem, was ein Radsportler sich wünschen kann.“
In das Teilnehmerfeld mischten sich auch Anna Winarski und ihr Mann. Die Internationalität des Rennens gefiel der 39-jährigen Münchnerin: „Die Stimmung in den Gruppen, mit denen ich jeweils unterwegs war, war toll. In unserer ersten Gruppe waren Italiener, Franzosen, Amerikaner und Holländer, aber die Verständigung hat super geklappt. Die Italiener waren am besten gelaunt, die anderen alle eher konzentriert. Aber es ist ja auch ein Rennen und keine RTF.“ Für Anna endete es überaus erfolgreich – mit dem Sieg in ihrer Altersklasse.
Den Mont Ventoux war sie noch nie gefahren: „Ein absolutes Highlight! Es war so heiß, 35 Grad, und oben nach dem steilen Waldstück gibt´s ja keinen Schatten mehr, nur noch weiße Steinwüste… Aber ich liebe es, Pässe zu fahren und mich 100 Prozent auf den Berg zu konzentrieren. Das geht hier natürlich besonders gut, in dieser Mondlandschaft.“ Der Zieleinlauf in 1.911 Metern Höhe ist Anna Winarski besonders im Gedächtnis geblieben: „Man nimmt die letzte Kehre, und es ist nochmal so steil, dass man kurz denkt, man steht vor einer Wand, aber dann…. sieht man den GFNY Zielbogen! Die Leute am Rand rufen und klatschen, und auf wundersame Weise entwickelt man nochmal zusätzliche Kräfte. Zielsprint kann man es wohl nicht nennen. Ich war richtig fertig und konnte grad noch so ausklicken… Ich bin unglaublich stolz, hier gefinisht zu haben. Es war einfach ein großartiges Erlebnis.“
Gerade dieses Erlebnis ist es, was Veranstalter Nicolas Garcera so am Herzen liegt. „Wir wollen den Teilnehmern und ihren Familien aus der ganzen Welt unsere wunderschöne Provence und unsere Stadt Vaison-la-Romaine zeigen und natürlich unseren Ventoux. Wir haben ein überwältigendes positives Feedback auf die erste Austragung bekommen. Eine Ehefrau drohte ihrem radfahrenden Mann sogar mit Scheidung, sollten sie im nächsten Jahr nicht wiederkommen.“
Auch Teilnehmerin Anna Winarski stellt den Veranstaltern ein gutes Zeugnis aus: „Das war ein super Tag! Die Organisation war top. Schon die Kommunikation im Vorfeld via Website und Facebook fand ich gut, so war man immer über den Ablauf und die Location informiert, die Veranstalter haben sofort auf Fragen geantwortet, man fühlte sich jederzeit gut aufgehoben. Die Idee mit der Siegerehrung im alten römischen Theater war natürlich auch absolut genial. Allerdings gab es keinerlei Sonnenschutz, das war bei den Temperaturen und der Uhrzeit eher suboptimal. Da kann man vielleicht beim nächsten Mal Schirme aufstellen oder eine Plane spannen, dann wäre die Stimmung bestimmt noch ausgelassener gewesen. An den Verpflegungsstellen hätte ich mich auch über isotonische Getränke gefreut.“
Ein Feedback, das Nicolas Garcera bestimmt aufgreift, denn: „Wir werden weiter hart daran arbeiten, alle Anforderungen zu erfüllen, die ambitionierte Radsportler an ein Top-Event stellen.“ Die nächste Veranstaltung soll am 26. Juni 2016 stattfinden. „GFNY Mont Ventoux ist gekommen, um zu bleiben! Sobald die Behörden unseren Termin bestätigen und das Event wieder genehmigt ist, startet die Anmeldephase.“
Ob sie die Veranstaltung weiterempfehlen würde? Anna Winarskis Antwort ist eindeutig: „Absolut! Ein klares Ja, ohne Einschränkung.“